Brand gelöscht, ab nach Hause und rasch zurück ins Bett. Schadstoffe vom Einsatzort werden so ignoriert und verschleppt. Es sind Alltagssituationen, in denen Feuerwehrleute das erhöhte Krebsrisiko, das Brandrauch verursacht, unberücksichtigt lassen.

@ Berufsfeuerwehr BernMarcus Bätge, Geschäftsführer und Mitgründer von Feuerkrebs.de, engagiert sich für die Minimierung der Risiken von Brandrauchkrebs.Marcus Bätge, Geschäftsführer und Mitgründer von Feuerkrebs.de, engagiert sich für die Minimierung der Risiken von Brandrauchkrebs.

Heute sind Brände für die Einsatzkräfte schädlicher als früher. Die Zeiten, als Holz das Haus und seine Einrichtungen prägte, sind vorbei – abgelöst von allen möglichen Kunststoffen, aus denen bei Bränden gesundheitsschädliche, giftige Rauchschwaden quellen.

Dieser Brandrauch ist krebserregend, wie die internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) schon 2007 festgestellt hat. Kürzlich hat die Forschungsstelle der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Liste mit Brandrauchinhaltsstoffen veröffentlicht und die von ihnen verursachten Krebsarten bestimmt.

Schon nach wenigen Einsatzjahren sorgen derartige karzinogene Stoffe im Brandrauch dafür, dass das Risiko der Feuerwehrleute, an Krebs zu erkranken, gegenüber der restlichen Bevölkerung um bis zu 30 Prozent steigt. Wenn etwa Arsen, Asbest, Benzol, Dieselmotoremissionen oder Formaldehyd brennen, wird möglicherweise Nieren-, Leber-, Lungen- oder auch Hautkrebs und Leukämie verursacht, so die IARC.

Besser schützen, unbürokratisch helfen

In Deutschland haben Feuerwehrleute schon 2016 die gemeinnützige Unternehmergesellschaft Feuerkrebs gegründet, um nach Lösungen zu suchen, wie die Einsatzkräfte besser vor diesen Risiken geschützt und allfällig von Krebs Betroffenen unbürokratisch geholfen werden kann.

Sie wollen erreichen, dass – wie etwa in Kanada – auch in Deutschland ausgewählte Krebserkrankungen als Berufskrankheit bei Feuerwehreinsatzkräften anerkannt werden. «Wir fordern die Bundesregierung auf, im Sinne der 1,2 Millionen Feuerwehrleute in Deutschland, eine Gesetzeslage zu schaffen, auf deren Grundlage eine Entschädigung und pauschale Anerkennung unbürokratisch und kurzfristig möglich sind», sagte kürzlich Marcus Bätge, einer der Mitgründer von Feuerkrebs.

Bätge betont aber auch, dass man sich nicht nur auf die Hilfe für betroffene Kollegen konzentriere. Man engagiere sich auch in Prävention und Aufklärung. Unter anderem gehe es um die Verbesserung der Einsatzhygiene, die Weiterentwicklung der Schutzausrüstung oder auch die Förderung und Verbesserung der Gesundheits- und Arbeitsbedingungen.

Und in der Schweiz?

@ Berufsfeuerwehr BernAuch die beste Ausrüstung im Einsatz muss am Ende gesäubert werden, um dem schlummernden Feuerkrebs keine Chance zu bieten.Auch die beste Ausrüstung im Einsatz muss am Ende gesäubert werden, um dem schlummernden Feuerkrebs keine Chance zu bieten.Fragt man in der Schweiz nach ähnlichen Initiativen, lässt sich derzeit keine vergleichbare Organisation ausmachen. Auch politische Vorstösse in dieser Richtung seien in der Schweiz derzeit kein Thema, heisst es bei Schutz und Rettung Zürich (SRZ).

Allerdings ist das Thema sehr wohl in den Feuerwehren angekommen. Es handle sich jedoch um Neuland, wie der Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr im St. Gallischen Eschenbach, Heinrich Arnold, sagt. Im Einsatz begegne man den Risiken des Brandrauchs durch den Einsatz von Atemschutzgeräten.

Anspruchsvoller sei hingegen die möglichst konsequente Schwarz-Weiss-Trennung. Dabei gehe es darum, meist durch Nachlässigkeit verursachtes Weitertragen der Schadstoffe schon an der Einsatzstelle zu vermeiden. So säubere man bereits verschmutztes Einsatzmaterial in speziellen Hygienebereichen.

Noch zu wenig Beachtung werde aber den ebenfalls verunreinigten Kleidern geschenkt. Wer in der Nacht zum Brandherd eile, denke nach dem Einsatz noch zu selten daran, sich gründlich zu reinigen und seine Kleider zu separieren, bevor er wieder ins Bett steige, umreisst Arnold die Problematik. Für die Kleidertrennung fehle auch in Eschenbach derzeit noch ein schlüssiges Konzept.

Zwar bestätigt man auch bei SRZ, dass die Problematik rund um das Thema Brandrauchkrebs noch in den Kinderschuhen stecke. Pressesprecher Roland Portmann hält jedoch fest, dass man sich bereits seit einiger Zeit damit beschäftige, entsprechende Seminare absolviert habe und konzeptionelle Arbeit bereits initiiert worden sei.

Und man verfüge über ein Konzept für die Schwarz-Weiss-Trennung. Doch obwohl der  Feuerkrebs viel mit dem Umgang mit Einsatzmaterial zu tun habe, seien gleichwohl noch viele Fragen offen, so Portmann.

Neu erfinden ist nicht nötig

@ «Schutz & Rettung Zürich»Atemschutzgeräte minimieren die Gefahren, von Brandrauch geschädigt zu werden.Atemschutzgeräte minimieren die Gefahren, von Brandrauch geschädigt zu werden.Nicht anders wird die Situation beim Feuerwehrkommando der Stadt Bern eingeschätzt. Der Kommunikationsverantwortliche Franz Märki stellt klar, dass die Feuerwehrleute die Problematik kennen und auch die IARC-Studien bei der Berufsfeuerwehr Bern (BF Bern) bekannt seien. Auf Stufe Berufsfeuerwehren seien in der Schweiz entsprechende Diskussionen im Gange, schiebt er nach. Dass allerdings hierzulande ähnliche Forderungen an die Regierung gestellt werden wie in Deutschland, kann er sich nicht vorstellen. Dazu dürfte beitragen, dass bei der BFR Bern keine Feuerwehrleute bekannt sind, die berufsbedingt an Krebs erkrankt oder gar gestorben sind.

Untätig in Sachen Brandrauchkrebs ist man hingegen auch in Bern nicht. «Bei der Berufsfeuerwehr Bern ist ein entsprechendes Konzept in Bearbeitung», sagt Märki. Zwar sei im Brandeinsatz die Sensibilität der Einsatzkräfte vorhanden. Doch «nach dem Einsatz, das heisst für kontaminierte Körperteile, für die kontaminierte Brandschutzbekleidung, für Geräte und Fahrzeuge ist eine vertiefte Sensibilisierung nötig», begründet er die Erarbeitung des Konzepts.
Klar ist bei allen Feuerwehren, dass es den totalen Schutz vor den Brandrauchrisiken nicht gibt. Dennoch muss kein Feuerwehrkorps die Risikominimierung neu erfinden. So zeigt das in Schweden entwickelte «Skelleftea-Modell», wie eine konsequente Schwarz-Weiss-Trennung funktioniert. Es umfasst das gesamte Einsatzszenarium und zeigt auf, wie man von der Grobreinigung an der Einsatzstelle bis zur Rückkehr in der Feuerwache Kontaminationsverschleppungen verhindert.

Allerdings verlangt die Umsetzung einiges an auch finanziellen Ressourcen, die in Ausbildung und Aufklärung genauso fliessen müssen wie in ausreichende Ersatzbekleidung. Es sind gut angelegte Investitionen, die helfen, dem lauernden Feuerkrebs die Einfallstore zu verschliessen. Und viel ist schon erreicht, wenn dereinst die Feuerwehrleute auch nach einem nächtlichen Einsatz noch die Geduld aufbringen, um sauber und ohne Schadstoffe wieder ins Bett zu steigen.

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