Oberstleutnant Reto Amrein ist seit zwei Jahren Bataillonskommandant der ZSO EMME, der grössten Zivilschutzorganisation des Kantons Luzern. Diese betreut 30 Vertragsgemeinden mit 140'000 Einwohner – und sorgt dafür, dass die lokalen Blaulichtkräfte dort möglichst nie an ihre Grenzen stossen.

© Jörg RothweilerHauptmann Daniel Diltz (links) und Oberstleutnant Reto Amrein in der Geschäftsstelle der ZSO EMME in Emmenbrücke.Hauptmann Daniel Diltz (links) und Oberstleutnant Reto Amrein in der Geschäftsstelle der ZSO EMME in Emmenbrücke.Mitdenken, vorausschauen, mögliche Szenarien durchspielen – und rechtzeitig proaktiv Unterstützung anbieten, noch ehe Rettungskräfte an ihre Grenzen stossen. So fasst Oberstleutnant Reto Amrein, Bataillonskommandant der ZSO EMME, zusammen, was er als seine zentrale Aufgabe erachtet, wenn in seinem Einsatzgebiet natur- oder zivilisationsbedingte Notlagen auftreten oder sich ein Kata­strophenszenario abspielt.

«Wir sind quasi die Rückversicherung der lokalen Blaulichtorganisationen (BORS), unterstützen diese mit Logistik, Material, Technik und Manpower, damit sie möglichst nie an die Grenzen der eigenen Leistungs- oder Einsatzfähigkeit stossen», erklärt er – und erzählt ein Beispiel: «Am 15. September 2015 gegen 16 Uhr wurde in Hochdorf Alarm ausgelöst. Ein Holzschnitzellager des Sägewerks stand in Vollbrand und im Freien brannten bis zu sechs Meter hohe Holzbeigen lichterloh.» Während die lokale Feuerwehr die Flammen bekämpfte, überdachte das Kommando der ZSO EMME die nächsten Stunden: «Die Einsatzkräfte kamen von der Arbeit, hatten über Stunden nichts gegessen. Aufgrund lokaler Begebenheiten könnte das Löschwasser knapp werden. Zudem dunkelte es bereits ein.» Umgehend bot die ZSO EMME Unterstützung durch Verpflegung, Scheinwerfer und zusätzliche Männer an. «Der Feuerwehrkommandant war froh. So konnte er sich voll auf die Löscharbeiten konzentrieren, musste weder an Licht noch Verpflegung denken. Zudem erhielt er Entlastung für seine teils erschöpften Einsatzkräfte», sagt Amrein.

Die Frage, ob der Feuerwehrkommandant nicht selbst so weit vorausdenken und den Zivilschutz hätte rufen müssen, lässt Amrein nicht gelten. «In der Hitze des Einsatzes müssen Kommandanten pausenlos ad hoc Entscheidungen treffen, stehen unter hoher mentaler und körperlicher Belastung. Es liegt daher an uns, rechtzeitig unsere Unterstützung anzubieten. Ich sage immer: Ein ZSO-Kommandant, der seine Unterstützung nicht anbietet, handelt falsch – nicht aber der örtliche Kommandant, der im Einsatz keine Zeit für Planspiele hat.»

© ZSO EMMEDie ZSO EMME verfügt unter anderem auch über einen Drohnenzug und kann so Suchaktionen wirkungsvoll unterstützen. Die ZSO EMME verfügt unter anderem auch über einen Drohnenzug und kann so Suchaktionen wirkungsvoll unterstützen. Was nicht heissen soll, dass dies nicht getan werden sollte, so man daran denkt. Denn wie ein frühzeitiger Miteinbezug des Zivilschutzes das Überschreiten von Belastungsgrenzen seitens der lokalen BORS vermeiden helfen kann, zeigt eindrücklich ein anderes Beispiel aus dem Schutzgebiet der ZSO EMME: Am Sonntag, 7. Juni 2015, löste Starkregen sintflutartige Überschwemmungen aus – und in Dierikon starben eine 32-Jährige und ihre 5-jährige Tochter in einem überfluteten Kellerraum. Hauptmann Daniel Diltz, Stabsoffizier der ZSO EMME, erinnert sich: «Die Eskalation kam plötzlich, das Gebäude wurde innert Minuten bis Mitte Erdgeschoss mit Wasser, Geröll und Schlamm geflutet. Durch die lokale Bäckerei ergoss sich eine Schlammlawine, der halbe Ort stand unter Wasser, teils herrschte starke Strömung. Die lokalen Feuerwehrkräfte hatten keine Chance, zu helfen. Es war Sonntagabend, keiner war wirklich noch fähig, einen 8-Stunden-Einsatz zu leisten. Doch alle versuchten ihr Möglichstes, ungeachtet der exorbitanten psychischen Belastung. Immerhin kannten nicht wenige Einsatzkräfte die Frau und deren Tochter.»

Die ZSO EMME leistete ab dem Morgen nach dem Unglück in Dierikon gut 300 Manntage. Reto Amrein: «Ein Debriefing sowie selbstkritische Analysen der lokalen BORS ergaben: Es wäre besser gewesen, wir wären nicht erst am nächsten Morgen hinzugezogen worden.»

Fazit: Nicht zögern, die ZSO zu rufen

Egal ob im Einzugsgebiet der ZSO EMME oder anderswo: Lokale BORS sollten stets im Hinterkopf behalten, dass der Zivilschutz jederzeit als «zweite Welle» zur Unterstützung bereitsteht. «Uns ist es lieber, wir werden mehrfach eventuell zu früh als nur einziges Mal zu spät kontaktiert oder beigezogen», sagt Reto Amrein mit Nachdruck. «Wir sind gut ausgerüstet, können vielfältige Unterstützung leisten und verfügen dabei auch über zusätzliche Mittel wie unseren Drohnentrupp, der Aufklärung und Suche unterstützt oder bei Grossereignissen einen Lageüberblick verschafft.»

«Zudem», sagt er «entrichten die Vertragsgemeinden ja pro Kopf einen Obolus an die ZSO EMME. Uns zu holen, verursacht also keine zusätzlichen Kosten. Es kann aber helfen, eine Überlastung der Einsatzkräfte zu verhindern – physisch und psychisch.» Beides ist unbezahlbar.

Die ZSO EMME in Zahlen

Die Zivilschutzorganisation (ZSO) EMME besteht seit 1. Januar 2013 und ist mit 30 Vertragsgemeinden die grösste von sechs regionalen ZSO im Kanton Luzern. Ihr Schutzgebiet erstreckt sich über eine Fläche von rund 385 Quadratkilometern, in denen mehr als 140'000 Menschen leben. Das Bruttobudget der ZSO EMME beträgt 2019 etwa 1,5 Millionen Franken. Die ZSO EMME verfügt über 5,6 Vollzeitstellen: 130 Stellenprozente entfallen auf das Kommando, 230 auf die Adminis­tration und 200 auf die Technik. Der Sollbestand der ZSO EMME liegt aktuell bei 685 AdZS. Diese leisteten 2018 an 206 Dienstanlässen knapp 490 Einsatztage, entsprechend rund 5'000 Diensttage pro Jahr. Die ZSO EMME unterhält Stützpunkte in Emmen, Hochdorf, Rain, Ebikon, Eschenbach, Malters, Meggen/Vitznau und Rothenburg. In Sempach befindet sich das kantonale Ausbildungszentrum. Die Geschäftsstelle mit Bataillonskommandant Reto Amrein, Hauptmann Daniel Diltz (Chef Personelles und Administration), Hauptmann Nick Waltenspül (Chef Technik) sowie der Administration befindet sich in Emmenbrücke.

Mehr Infos: www.zsoemme.ch

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